Die ist ein besonderer Tag. Für mich und meine Familie. Denn heute vor 80 Jahren wurdest Du geboren, meine liebe Mama!
Wenn man mich darum bäte, ich solle etwas über meine Mutter erzählen, wo würde ich beginnen? Gehört sie doch zu jenen Menschen, die mein Leben auf besondere Art und Weise geprägt haben. Facetten und Diversität sind so hoch an der Zahl. Auch wenn ich mich in manchen Dingen nicht richtig verstanden oder behandelt gefühlt habe, so bin ich als Ganzes doch sehr stolz auf Dich, liebe Mama. Mindestens genauso stolz wie auf meinen Vater, der letztes Jahr von unserem Planeten abstrahierte, sich neuen Sphären zuwandte, den ich entsprechend gebührend mit einem von sehr vielen Menschen beachteten und geschätzten Nachruf bedachte. Im Unterschied dazu gratuliere ich heute meiner sehr lebendigen und zunehmend von Humor getragenen Mama zu ihrem 80. Geburtstag.
Meine Erinnerungen, die mir jetzt beim Schreiben dieses Artikels in den Sinn kommen, können nur Fragmente sein, Steinchen eines Mosaiks, das Dich als ganzen Menschen beschreibt und wiedergibt. Gleichwohl bin ich naiv genug, um den Versuch zu unternehmen, Dich, liebe Mama, und Dein super spannendes und wechselvolles, auch aufopferungsvolles Leben zumindest in Ansätzen zu würdigen.
Du entstammst einer armen aber gebildeten Familie aus dem Raum Altenburg, u. a. bekannt für das Kartenspiel („Blatt“) Skat. Deine Vater beherrschte viele Sprachen. Deine Mama brachte viele Kinder zur Welt. Ihren Fleiß in der Hauswirtschaft hat sie schon frühzeitig auf Dich übertragen. Uns Kinder hast Du gerne mit Schokolade beschenkt. Warum? Weil sie zu Deiner Zeit, in den Nachkriegsjahren, Mitte des 20. Jahrhunderts Mangelware war. Metaphorisch gesprochen, war Schokolade für Dich wie ein Schlüsselloch hin zu einem süßen Leben, zumindest einem besseren.
Als Du Michael, der später zu meinem Vater wurde, kennen lerntest, warst Du selbst süß an Lenzen. Dein „Musch“ war ein erfinderischer, attraktiver, intellektueller Bursche. Als er Dich liebevoll „Lonka“ nannte, konntest Du ihm wohl nicht mehr widerstehen. Vater kümmerte und bemühte sich sehr um Dein berufliches Fortkommen. Die typisch westdeutsch verfahrene Ideologie, die bemüht war, die (Ehe)Frau klein zu halten, als sie den Mann um Erlaubnis bitten musste für die eigene Arbeitsaufnahme oder das eigene Bankkonto, schien es in Ostdeutschland zumindest systemisch nicht zu geben. Die Liebe, die Dir Papa entgegen gebracht hat, hast Du, liebe Mama, ihm mindestens doppelt zurück gegeben, insofern sie sich überhaupt quantitativ bemessen lässt. Denn neben den Jahren des Erfolges sollten auch Zeiten der Herausforderungen kommen. Du bist immer für den Vater da gewesen, wie überhaupt für die ganze Familie, einschließlich der vier (!) Kinder, die Du zur Welt gebracht und wesentlich erzogen hast, neben Deiner hingebungsvollen, jahrzehntelangen Arbeit als Kinderkrankenschwester auf der Entbindungsstation in meiner Heimatstadt Ilmenau. Vielleicht warst Du die Vorzeigefrau im Sozialismus, die Arbeit und Familie unter einen Hut brachte. Der Gedanke der freien Entfaltungsmöglichkeit der Frau war per se ein guter in der DDR. Beim näheren Hinsehen bedeutete das aber auch oft sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf familiärer Ebene, dass sich die Frau aufopferte und persönlich als Mensch und Erdenbürgerin zu kurz kam.
Mama. Du hast uns, Du hast mich mit all Deiner Liebe überhäuft. In scheinbar jedem Moment meines Lebens bist Du für mich da gewesen. Wenn mir jemand in dieser Welt Geborgenheit zu schenken wusste, dann warst DU es! Wenn der Vater in seiner zuweilen exponiert autoritären Art „bis drei zählte“, um einen Wunsch erfüllt zu bekommen (tatsächlich schlug er uns Kinder nie), warst DU es, die rettend dazwischen ging. Und als ich mit fünf Jahren eines Abends nicht einschlafen konnte, da ich voller Gedanken und Grübeleien war, und Dich fragte, ob tatsächlich alle Menschen sterben müssten, da warst DU es, die mich in die Arme nahm und mich mit den Worten tröstete, dass dies zwar wahr sei, aber es würde noch soooo viel Zeit vergehen bis dahin.
Da Du viele Jahre als Stationsschwester im Ilmenauer Krankenhaus tätig warst, kannten Dich sehr viele Mütter und Familien in der Stadt. Ich wollte ja immer berühmt werden. Aber beim Einkaufen und Schlendern durch die City warst immer DU es, die von Passantinnen und Passanten gegrüßt wurde.
Mir fallen noch so viele Geschichten ein. Sie würden wohl den Rahmen dieses kompakten Würdigungsartikels sprengen. Aber was ich gerne noch artikulieren möchte: Wenn Vater den Titel „Verdienter Techniker des Volkes“ für seine wissenschaftliche Tätigkeit zurecht bekommen hat, dann erteile ich Dir hiermit die Ehrung und den Titel „Verdiente Mama der Familie Roth“.
Danke für alles. DANKE dafür, dass es Dich gibt. Danke für Deine Liebe und Deine immer wiederkehrende Fürsprache.
Alles Gute an Deinem 80. Geburtstag. Dein lieber Sohn Michi, und ganz sicher auch im Namen Deiner vielen stolzen Kinder und Angehörigen. 😍❤️
PS: Die mutige Fahrt im Skoda mit Deinen Krankenschwester-Kolleginnen nach Prag ist auch so eine tolle Episode aus Deinem Leben. Es war zu einer Zeit, da sich noch kaum eine Frau traute, sich selbst hinters Lenkrat zu setzen. Meine Mama, eine Heldin. Immer mit Herzblut dabei.
PPS: Etwaige Fehler oder Formfehler bitte ich, fürs Erste zu entschuldigen, da (Initial) alles per Smartphone eingegeben. Demnächst gehe ich nochmal über den Text. Ebenso verlinke ich später meinen Nachruf zu Papa hier.