pp20240329

Die Evolution und ihre Grausamkeiten | Konklusionen

Neben den – sichtbaren und unsichtbaren – Kräften wie der Gravitation oder der (angenommenen) dunklen Energie dürfte die Evolution zu den größten Wundern gehören, die unser Universum hervorgebracht hat.

Kaum denkbar wäre jegliche Art von Evolution wohl ohne die Gravitation. Wir können sie uns vorstellen wie einen Fußball in der Mitte eines aufgespannten Netzes, der eine Delle erzeugt. Ein kleinerer Körper, vielleicht ein Tennisball, umkreist den Fußball. Es wirken Kräfte nach außen (Fliehkräfte) und nach innen (Gravitationskräfte) auf den Tennisball, der „im Orbit“ des Fußballs kreist.

In Bezug auf die Sonne kreist die Erde innerhalb der habitablen Zone. Uns ist es nicht zu kalt und (noch) nicht zu heiß. Gehören wir zum privilegierten Teil der Menschheit, dann dürfen wir während unserer überschaubar langen Lebenszeit auf dem Planeten sogar ein recht anständiges und sinnvolles Leben führen.

Aber neben der Gravitation, die auf Objekte zwischen Mikro- und Makrokosmos wirkt, die wir als notwendige Bedingung für die Evolution verstehen können – was ist mit der Evolution selbst?

Zu gerne sehen wir „die Natur“ als Vorbild, wir könnten uns geradezu bei der Evolution „bedanken“. Ohne sie wären wir heute nicht da.

Dabei scheint die Evolution voller Ambivalenzen zu sein und zumindest nach gut-menschlichen Maßstäben mit Hilfe von fragwürdigen Paradigmen zu verlaufen.

Ich selbst verstehe Intelligenz sowohl als Ursache als auch als Folge der Evolution. Ethische Aspekte nehme ich nicht wahr als immanente Bestandteile der Evolution. Zumindest nicht in dem Maße, wie sich Intelligenz entwickelt und weiter entwickelt hat. Genau dieser Aspekt war im Jahre 2018 für mich die Motivation dafür, die Philosophie der Ethischen Intelligenz [1] zu begründen.

Gewiefte Leute könnten jetzt schlussfolgern, dass der Mensch ja auch nur ein – obgleich höher entwickeltes -Tier ist. Somit wären die Kriege des Menschen gegen den Menschen „entschuldbar“ oder „natürlich“. Tatsächlich mag sich ein mögliches großes Spannungsfeld auftun zwischen den Soziogenten (also selbständig agierenden und interagierenden Wesen auf dem Planeten) *mit* und jenen *ohne* Bewusstsein.

Doch auch dies möchte ich hinterfragen. Denn die Entwicklung des Bewusstseins hat zumindest bis dato nicht zu einem ganzheitlichen Umdenken und Umhandeln innerhalber der Menschheit geführt.

Nach wie vor gibt es Länder mit einer Todesstrafe. Und Länder, die die Todesstrafe regelmäßig „bei Bedarf“ ausüben, obwohl sie laut Gesetz untersagt ist; was wir gerade am Beispiel Russland sehen.

Schauen wir mal rein in diese sagenumwobene Evolution. Was sich mir immer mehr ins Bewusstsein drängt: Bei einer Vielzahl von Spezies gehört das mehr oder weniger grausame Ausschalten von Soziogenten oder Lebewesen nicht nur gegenüber anderen Arten systemisch zum Konzept der eigenen Art dazu. Selbst das Auffressen von Vertretern der eigenen Art, ja sogar der eigenen nächsten Verwandtschaft gehört zum genetisch vorgeschriebenen Programm oder einer Option dieses Programmes.

Die – auch von mir – viel zitierte Gottesanbeterin verspeist ihren Gatten nach der Paarung. Das nützt der Erhaltung der eigenen Art mehr als der Erhaltung des eigenen „Göttergattens“. Denn in der Folge werden mehr Eier gelegt. Das erhöht die Überlebenschancen der Spezies.

Bei den Bienen spielt die Königin Gott. Freilich im Rahmen ihres genetischen Programmes. Sie bestimmt, aus welchem Ei ein Männchen (unbefruchtet) oder ein Weibchen (befruchtet) wird. Aber wie konnte sich eine Genetik entwickeln, die männliche Vertreter der eigenen Art radikal benachteiligt? Wenn wir zumindest davon ausgehen (ja, es ist zunächst eine menschliche Sicht), dass ein langes und hoffentlich gesundes Leben hohe Werte sind.

Die männliche Drohne (fachsprachlich: Der Drohn) lebt nur wenige Wochen. Aus ihrer persönlichen Sicht heraus würde sie sogar länger leben, wenn sie keine Jungkönigin nicht begattete, da sie hierbei stirbt. Wenn die Paarungssaison (der Sommer) vorbei ist, dann wird die männliche Biene so oder so vom Bienenmatriarchat aus dem Bienenstock vertrieben. Die weiblichen Arbeiterinnen schaffen es maximal aber auch nur auf ein paar Monate (immerhin), während die Königin bis zu fünf Jahren alt werden kann. [2]

Die sogenannten semelparen Arten [3], also jene, die sich nur einmal fortpflanzen, was oft mit dem Tod eines der Beteiligten endet, sind das Produkt eines effizienten Systems der Evolution. Die maximale Energie wird quasi auf die Fortpflanzung angewendet.

So sehr unterscheiden wir Menschen uns darin nicht, die wir ohne unseren eingebauten Fortpflanzungstrieb kaum zu existieren in der Lage wären. Darüber hinaus haben wir es aber doch zu Kultur und Kulturen gebracht, die Mehrwerte nicht nur für das Individuum, auch für die Gesellschaft über die rudimentären und essenziellen Liebesfreuden hinaus generieren können.

Gleichzeitig stellt sich heute die Frage, woran wir Menschen – und vielleicht denken wir dabei auch an die vielen anderen Soziogenten und Arten, mit denen wir häufig in Symbiose leben – unsere Selbstbestimmung und Selbstdefinition bemessen. Wir können vieles aus der Natur und von der Evolution lernen. Ebenso fordern evolutionäre Prozesse unser Denken heraus. Es genügt perspektivisch nicht, Dinge aus der Natur ohne das genaue Hinschauen einfach zu kopieren oder zu emulieren.

Die Philosophie der Ethischen Intelligenz ist ein Appell an die Menschheit, bei allem was wir finden und erfinden, unseren Geist einzuschalten. Was meint, wir sollen die Kapazität und das Potenzial unserer 80 bis 100 Milliarden Neuronen, die ein jeder von uns in seinem oder ihrem schlauen Kopf beherbergt, tatsächlich nutzen und zumindest versuchen auszuschöpfen.

Intelligenz allein befähigt uns dazu, „schlau gut“ oder „schlau böse“ zu sein, wenn wir an dieser Stelle so simplifizieren. Es wird niemand glauben, dass Putin ein Dummkopf ist. Nicht mal A. Hirnlos war es. Oder Stalin. Aber was bewirkt alle Intelligenz, wenn wir unser Potenzial nicht dafür nutzen, einen ethischen Überbau zu entwickeln? Weder menschliche noch künstliche Intelligenz werden diese Art von Ethischer Intelligenz zwangsläufig produzieren. Das bedeutet, wir, die Menschheit, aber auch die Soziogenten, die gesammelten Arten, ob biologisch oder maschinell, bedürfen einer neuen Art von Evolution. Zu dieser Perspektive passt gut der von mir 2020 formulierte Ethische-Intelligenz-Test [4]. Er ist ein Model, das es zukünftig mit Leben zu füllen gilt.

Die Geschichte von Tier und Mensch, die beginnende Genese von KI, können uns dabei helfen, neue Zielsetzungen für die Evolution der Arten auf der Erde zu schaffen.

Quellen:

[1] https://micialmedia.de/ethische-intelligenz/

[2] https://bienen.info/wie-lange-leben-bienen/

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Semelparit%C3%A4t

[4] https://micialmedia.de/2020/08/turing-test-vs-roth-test/

Hier geht es zur Übersicht aller Preprints von Michael M. Roth (MicialMedia)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert