Der Ramadan als anachronistischer Imperativ des Islam

Es könnte alles so schön sein. Der Ramadan als eine Inspiration für Körper und Geist. Als Zeichen des Demuts und Respekts gegenüber dem Leben und vor allem den Menschen gegenüber im Hier und Jetzt und weniger eine Unterwerfung einem Gott gegenüber, der existiert oder auch nicht. Doch beginnen wir vorne …

Würdigung des Schöpfers, Besinnung, Enthaltsamkeit

Der Ramadan ist der Fastenmonat der Muslime. Laut islamischer Auffassung ist es der Monat, da der Koran herab gesandt wurde. (Quelle: Wikipedia)
Für Muslime bedeutet der Ramadan (2017: 27.5.-24.6.) eine Zeit der Besinnung, des (besonders) respektvollen Umganges mit anderen Menschen, der Enthaltsamkeit vor allem hinsichtlich der Ernährung aber auch beispielsweise in Bezug auf die Sexualität. In der Zeit vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang (grob: 5 Uhr bis nach 21 Uhr), dürfen weder Speisen noch Getränke zu sich genommen werden. Selbst die Einnahme von Wasser ist grundsätzlich nicht gestattet. Aufgrund der religiösen Wurzeln des Ramadan führt der muslimische Fastenmonat in der Konsequenz, vor allem aber in der Praxis zu einem Imperativ, dem sich der gläubige Moslem normalerweise nicht entziehen kann. Erst das sogenannte Fastenbrechen am Ende des Ramadan hat die lang ersehnte Erlösung und Entspannung von Körper und Geist zur Folge.

Öffentliches Fastenbrechen am 15.7.15 | Foto: Michael M. Roth, MicialMedia

Öffentliches Fastenbrechen am 15.7.15 in Karlsruhe | Foto: Michael M. Roth, MicialMedia

Über das Verständnis von Religion

Der Autor dieses Artikels, der sich keiner Religion zugehörig fühlt, kann den Glauben am ehesten mit dem assoziieren, was der Name suggeriert: „Ich glaube an etwas“. Das ist ungleich „Ich werde an etwas geglaubt.“.  Wenn Glaube, dann bedeutete das für mich, an etwas zu denken, mich von etwas leiten zu lassen, das ich für wahr, für wahrscheinlich oder denkbar halte. „Ich glaube, es ist Zeit zu Bett zu gehen.“. Glaube kann für meine Begriffe nichts Absolutes oder Absolutistisches sein. Der Glaube müsste in meiner Vorstellung immer etwas mit dem freien Willen eines Menschen zu tun haben. Für mich gibt es keine Instanz, ob auf der Erde oder im Himmel, die als Verkünder einer absoluten Wahrheit fungieren könnte. Mit Begriffen wir „Herr“, „Herrscher“ oder „Diener dem Herren gegenüber“ kann ich nichts anfangen. Auch wenn ich selbst nicht an den oder an einen Gott glaube, die Frage der Existenz eines Gottes gehört für mich zu den irrelevantesten überhaupt. Aber was ist dann von Bedeutung? Dass ich niemandem „dienen“ möchte. Und schon gar nicht einer einzigen Instanz, sei es ein Gott im Himmel oder ein Mensch auf Erden, der sich für einen Gott hält, wie der Präsident eines autokratischen Staates. Wenn „dienen“, dann meinen Mitmenschen, nicht aus Unterwürfigkeit heraus, sondern aufgrund von Menschlichkeit. Für mein Verständnis ist das ein wohl in vielen Religionen eingebauter Systemfehler, sei es der Islam, sei es das Christentum oder andere: Durch die Heroisierung und die Verabsolutierung irgendeiner Instanz, egal ob irdisch oder „überirdisch“, besteht die Gefahr des Missbrauchs. Wie viele Kriege wurden im Namen der Religion geführt? Wie viele Selbstmordattentäter haben sich und viele andere unschuldige Menschen in die Luft gejagt im angeblichen Namen von Allah?

Der Imperativ sprengt den Rahmen von Freiwilligkeit & Selbstbestimmtheit

„Denn Fasten heißt erkennen, dass man in Wahrheit einzig und allein von Gott abhängig ist. Zugleich soll sich der Fastende darüber klar werden, dass er sich von vermeintlicher Abhängigkeit von anderem lossagen kann und muss.“ (Quelle: islam.de)

Wenn ich an Gott glaube oder mich des Beischlafes für eine Zeit enthalte, dann verletze ich niemanden. Bezüglich der Sexualität natürlich vor allem dann, wenn zwei Moslems nach diesem Glauben leben und während des Ramadan bewusst nicht miteinander schlafen wollen. In Sachen Ernährung findet allerdings ein noch einschneidender Eingriff in die körperliche und seelische Unversehrtheit eines Menschen statt. Wenn man beispielsweise in den Glauben hinein geboren wird, man also eine entsprechend religöse Erziehung durch die Eltern und/oder die Gesellschaft erfahren hat, dann hat für einen dieser Glaube eine gewisse Wahrheit und Gültigkeit. Der Ramadan gehört zum Islam und das Fasten für die Dauer eines Monats ist dort nicht als Möglichkeit oder Option beschrieben, sondern es ist eine ultimative Aufforderung. Allein aus anerzogener Verbundenheit zu ihrer Religion können sich viele Gläubige dieses Imperativs nicht entziehen. Es ist ganz und gar nicht „ihre Schuld“, sondern es ist der bereits oben angesprochene Systemfehler der vielleicht meisten Religionen. Beispielhaft wird man im Islam und im Christentum nachlesen können, dass in den Texten eine definitive Unterwürfigkeit einem Gott gegenüber gepredigt wird und einzuhalten ist. (Streng) gläubige Menschen können somit fast gar nicht anders, als entsprechende Gebote zu befolgen. Die Konsequenz ist, dass es Rituale gibt, die sich über Jahrhunderte hinweg am Leben erhalten, ohne hinterfragt zu werden in Bezug auf ein freies, selbstbestimmtes und gesundes Leben.

Ausnahmen: Kranke, Kinder, Alte, Schwangere, Frauen während der Regel

Der Islam ist per se nicht grausam. Im Falle des Ramadan hat er eine Backdoor eingebaut. Menschen, die sich körperlich nicht dazu in der Lage fühlen, werden von der Pflicht, am Ramadan Enthaltsamkeit zu üben (zumindest in Bezug auf die Ernährung), entbunden. Gleichwohl sollte man sich vergegenwärtigen, was der Ramadan für viele Gläubige bedeutet. Einerseits erwarten sie oder erhoffen sich durch die aktive Teilnahme am Fastenmonat ein besseres Leben, sie vertrauen auf die resultierende Dankbarkeit von Allah. Gleichzeitig haben sie Angst davor, von Allah bestraft zu werden, sollten sie das Fasten unerlaubterweise brechen. Durch die enge Bindung an den Glauben und die – vom Islam selbst postulierte – Abhängigkeit von Allah praktizieren dennoch viele das Fasten, die es eigentlich gar nicht müssten. In der Wikipedia kann man dazu nachlesen, dass statistisch die Mehrheit aller schwangeren Muslime während des Ramadan fastet. Daraus folgt eine kürzere Schwangerschaft, die Wahrscheinlichkeit für eine körperliche oder geistige Behinderung des Neugeborenen steigt. Ob sich Schwangere, die fasten, dessen bewusst sind? Selbst unter dem Aspekt der Unterwürfigkeit Allah gegenüber. Würde er, sollte es ihn wirklich geben, es denn wollen, dass die Gesundheit des kommenden Nachwuchses aufs Spiel gesetzt wird? Vielleicht ist das zumindest ein gedanklicher Anker für Gläubige. Bei aller Affinität und Zuwendung gegenüber Gott – Unser Leben auf der Erde ist nicht ersetzbar. Es ist von großem Wert und es ist an uns, diesen zu reflektieren.

Strafmaßnahmen in Ländern, in denen der Islam Staatsreligion ist

Während in Ländern, in denen Staat und Religion getrennt sind, so wie in Deutschland, eine gesetzliche Bestrafung aufgrund von Nichtbefolgen religöser Riten geradezu unmöglich ist, stehen andere Länder, bei denen der Islam staatstragend ist, dafür, dass „Verfehlungen“ wie vorzeitiges Fastenbrechen zu Strafen führen können. In Saudi-Arabien gilt das sogar für Nicht-Muslime, die während des Ramadans öffentlich essen, trinken oder rauchen. In anderen Ländern wie Marokko, Algerien, Malaysia oder Tunesien ist es in der Vergangenheit zu Geld- und sogar Haftstrafen bis zu 6 Monaten gekommen, weil sich Menschen in der Öffentlichkeit nicht an das Fasten gehalten haben.

Wasser ist Menschenrecht!

Das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser ist am 28. Juli 2010 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen als Menschenrecht anerkannt worden. (Quelle: Wikipedia). Der Mensch besteht zu 70% aus Wasser. Damit Körperfunktionen und das Immunsystem regulär arbeiten können, ist die tägliche Zufuhr von Wasser erforderlich, sprich, sie ist lebensnotwendig. (Größenordnung 1,5 bis 2,5 Liter, abhängig auch vom Körpergewicht und steigend bei hohen Temperaturen).  Deutschland erlebt gerade eine Hitzewelle mit Temperaturen über mehrere Tage hinweg von über 30°C, örtlich sogar bis zu 38°C. Durch das Schwitzen werden dem Körper große Mengen an Wasser und lebensnotwendigen Mineralien entzogen. Im schlimmsten Fall kann das eine Dehydrierung des Körpers zur Folge haben. Eine Wasserzufuhr zu diesem späten Zeitpunkt könnte zu spät sein. Auch ohne einen Kreislaufkollaps sollten wir uns vor Augen halten, dass unsere muslimischen Mitmenschen möglicherweise einer Arbeit nachgehen, die für sich genommen schon (körperlich) anstrengend sein kann. Für meine Begriffe stößt man hier durch selbst auferlegte religiöse Zwangshandlungen an die Grenzen einer humanistischen Ethik. Wohin das grundsätzlich führen kann, zeigt auch ein Bericht von 2015 aus Pakistan über zahlreiche Tote bei einer Hitzewelle während des Ramadan.

Wünschenswert: Eine Religion, die dem Menschen dient, nicht Gott

Wenn ich tagträumen darf, so tue ich das hiermit: Ich wünsche mir eine Religion, die dem Menschen etwas gibt und nicht von ihnen nimmt. In Deutschland haben wir Religionsfreiheit. Das bedeutet zum Einen, dass jeder seinem eigenen Glauben nach die Religion ausüben darf. Gleichzeitig ist das eine Option, eine Möglichkeit, von der eben jeder Mensch Gebrauch machen kann. Auch innerhalb der Religion selbst sollte die Freiheit einen ganz großen Stellenwert haben.

Der Ramadan kann so vieles, sobald er sich vom Imperativ verabschiedet

Schauen wir uns die möglichen wunderbaren Elemente eine Fastenzeit an. Es geht darum, den Körper und die Seele zu reinigen. Menschen, die fasten, vergegenwärtigen sich, dass andere, viel zu viele Menschen auf der Welt täglich hungern, dass sie kein täglich fließend Wasser haben, so wie wir, die privilegierten Menschen des Planeten. Es findet eine Wertschätzung und Sensibilisierung statt. Wie köstlich muss jeder Happen nach dem Sonnenuntergang schmecken, und welche Freude muss es sein, am Ende des Ramadan gemeinsam mit vielen anderen Freunden (Gläubigen und Nichtgläubigen) am Fastenbrechen teilzunehmen. Das sind alles meiner Meinung nach positive Dinge, die das Leben eines Menschen vor allem ideell bereichern können. Wie wäre es nun, wenn sowohl Gläubigen als auch Nichtgläubigen (oder Andersgläubigen) angeboten würde, am Ramadan teilzunehmen oder das Fasten beispielsweise nur für einen oder mehrere Tage auszuprobieren? Wie wäre es damit, wenn insbesondere den Gläubigen des Islam nicht mehr die Pflicht des Fastens während des Ramadans auferlegt und somit der meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäße Zwang entfallen würde? Habt Ihr, liebe Moslems, Sorge, dass dann alle sich vom Islam verabschieden würden? Oder gäbe es vielleicht sogar gegenteilig eine Chance dafür, dass sich mehr Menschen zu Eurem Glauben hingezogen fühlten oder aber einfach die nette Gesellschaft mit Euch gerne teilen würden, ohne selbst gleich religös werden bzw. konvertieren zu müssen?

Ich wünsche allen Angehörigen des Islams noch einen guten Ramadan, gute verbleibende zwei Tage. Natürlich auch, dass Ihr auf die Signale Eures Körpers hört und nicht erst das Fasten beendet, wenn Ihr durch selbiges krank geworden seid. Falls Ihr (jetzt noch) Lust habt, mich zu Euren Feierlichkeiten des Fastenbrechens am Ende des Ramadan einzuladen, werde ich bei zeitlicher Verfügbarkeit sehr gerne dabei sein.
Alles Liebe für Euch!

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