60 Jahre BND – Kein Grund zum Feiern

60 Jahre Bundesnachrichtendienst. Gründungstag war der 1. April 1956. In Berlin wird das gefeiert. Aber ist dies wirklich ein Grund zum Feiern? Immerhin schaffen es die Medien, in Nebensätzen zu erwähnen, dass der BND der Geheimgruppierung „Organisation Gehlen“ (1946-1956) entsprungen ist. Nomen est omen, der General der faschistischen Wehrmacht, Reinhard Gehlen, der 1941 maßgeblich am „Unternehmen Barbarossa“ beteiligt war, das zum Überfall auf die Sowjetunion führte, spielte in dieser Organisation eine wichtige Rolle. Er blieb nicht die einzige Größe aus den Reihen der Nationalsozialisten. Die Wikipedia schreibt dazu:

„Es gelang Gehlen, auch wenn er selbst dies nachdrücklich abstritt,[1] eine große Anzahl der noch lebenden Mitglieder seiner früheren Dienststelle für den Dienst zu interessieren, weil sie in ihrer neuen Stellung häufig mit einer neuen Identität versehen wurden. Eingestellt wurden zu einem großen Teil Ehemalige der SS, des SD, der Gestapo, der Abwehr und vor allem Offiziere der Wehrmacht.“

1956 wurde der BND gegründet und Gehlen Präsident. Im Kampf gegen den Kommunismus haben die US-Amerikaner schon mal beide Augen zugedrückt, als es darum ging, einen ehemaligen faschistischen General neu zu dekorieren – entgegen vertraglicher Vereinbarungen verhinderten die Amerikaner die Auslieferung von Gehlen an die Sowjetunion – denn dieser besaß ja Insiderinformationen im Kampf an der „Ostfront“. Und auch die ach so demokratische junge Bundesrepublik Deutschland mit ihren demokratischen Organen wie Parlament, Kontrollausschüssen … war offenbar blind in punkto Nazi-Durchsetzung des BND. Gehlen war bis 1968 Chef des Bundesnachrichtendienstes, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ist schwierig, ohne dass einem dabei übel wird.

Nicht bis zum General, aber immerhin bis zum Oberstleutnant der Wehrmacht schaffte es Gerhard Wessel. Hitler machte ihn kurz vor Kriegsende zum neuen Chef der „Fremde Heere Ost“, die zuvor von Gehlen kommandiert wurden. In der Bundesrepublik schafft es Wessel zu hochrangigen Posten. 1955 wurde er als Oberst (ein Grad vor dem General) in die Bundeswehr übernommen, 1956 erhielt er den Posten des Kommandeurs des gerade gegründeten Militärischen Abschirmdienstes (MAD). Schließlich dann, 1968, trat Wessel, wie schon während des 2. Weltkrieges, die Nachfolge von Gehlen an und hatte bis zum Jahre 1978 die Präsidentschaft des BND inne. Das war gleichzeitig das Jahr, in dem Wessel in den Ruhestand ging.

Wenn schon kein Parlament oder eine wirklich unabhängige Instanz, so hat doch der BND selbst es nach Jahrzehnten der Verschleierung geschafft, in 2011 eine „Unabhängige Historikerkomission“ (UHK) ins Leben zu rufen, um die Geschichte des BND und seiner Vorläuferorganisationen von 1945 bis 1968 zu untersuchen. Offenbar ohne eine übersteigerte Empathie mit den Verfolgten und Opfern des Naziregimes zu haben, erklärt der Historiker Prof. Wolfang Krieger, Mitglied der UHK/BND, in einem aktuellen Interview der Tagesschau (28.11.2016):

„Nun, der BND hatte NS-belastetes Personal, aber man muss natürlich fairer Weise sagen, dass das überall anders im deutschen Staatsapparat, in Bund und Ländern, Gemeinden und übrigens auch in der Privatwirtschaft, in den Schulen und Universitäten, in der Richterschaft und Staatsanwaltschaft usw. usw. , überall waren Leute, die NS-belastet waren, und das ist erst so allmählich ans Licht gekommen …“

Es klingt so ein bisschen nach „Normalität“ in den Nachkriegsjahren. Schlimm genug. Dass es „überall so war“, kann allerdings nicht als Rechtfertigung gelten für entsprechende Verfehlungen des BND und Aufsichtsgremien wie das Bundeskanzleramt. Ich finde, 60 Jahre BND sollten uns eher zum Nachdenken anregen und zur Selbstreflexion als zum Feiern.

 

Quellen:
Zitat Prof. Wolfgang Krieger:
http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-235031.html
Historische Daten:
Wikipedia

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