Reserven in der Kommunikationsarchitektur bei Xing

Xing, 2003 als „OpenBC“ (Open Business Club) gegründet, gehört zu den Sozialen Netzwerken. Es dürfte derzeit zu den wichtigsten Social Networks im deutschen Internet zählen, die (überwiegend) geschäftlich genutzt werden. Laut Wikipedia hatte Xing Ende des 1. Quartals 2012 insgsamt mehr als 12 Millionen Mitglieder, über 5 Millionen davon aus Deutschland. Im Verhältnis zu Facebook, dessen Nutzerzahl in DE inzwischen auf 30 Mio. zugehen dürfte, erscheinen 5 Millionen Xing-Nutzer zweitrangig. Man bedenke aber, dass Facebook schon ab 13 Jahren und früher und für alle möglichen Arten der Kommunikation eingesetzt wird. Das direkter vergleichbare und in den USA ansässige Business-Netzwerk LinkedIn hat laut englischer Wikipedia über 175 Millionen Mitglieder (Stand Juni 2012), davon kommen  – Größenordnung – 2 Millionen Menschen aus Deutschland.

Ich selbst bin seit 2004 Xing-Mitglied (s. Xing-Profil von Michael M. Roth). Während ich in den ersten Jahren sehr von der Idee des Netzwerkens per se begeistert war und man mich evolutions-bedingt wohl eher den Jägern und (Kontakte-) Sammlern zuordnen konnte, habe ich in den letzten Jahren doch mehr und mehr das Bestreben entwickelt, mich dialog- und themenorientiert mit anderen Menschen zu verbinden.

Xing hat sich auf dem Zeitstrahl von 2003 bis zum aktuellen Jahr 2012 sukzessive entwickelt von einer statischen Seite vergleichbar mit einer Webseite aus der Jahrtausendwende hin zu einer dynamischen Plattform mit einer Reihe von Kommunikationsendpunkten, oder, wie man auch sagen könnte, -ausgangspunkten.

Ich gehöre nicht zu jeden Xing-Experten, die Bits und Bytes der Plattform kennen, so wie Joachim Rumohr, dessen Webinar zur Optimierung des Xing-Profils ich kürzlich mit großem Interesse verfolgte – danke nochmal an dieser Stelle an den Xing-Experten Nr. 1 in Deutschland! -, aber ich nutze Xing schon recht intensiv, um geschäftliche und zwischenmenschliche Beziehungen zu etablieren bzw. zu pflegen, und ich gebe Xing (meist zwitschernd, siehe Twitter-Account von Michael M. Roth) immer wieder Tipps, wie die Plattform verbessert werden könnte.

In der Folge möchte ich, natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aus meinem Blickwinkel heraus ein paar Punkte benennen, die Reserven oder Potentiale in der Kommunikationsarchitektur von Xing zeigen:

  1. Interessant finden (like)
  2. Erwähnen (mention)
  3. Gästebuch
  4. Abonnieren
  5. Events

In Analogie zu Facebook ergänzte Xing die Plattform um diese sozial-mediale Funktionalitäten:

Like –> Interessant finden | Kommentieren | Teilen –> Empfehlen

Die Einführung des „Interessant finden“ war sicher ein Meilenstein in der Geschichte von Xing! Seitdem kann man das gefühlte „Like“ auf Status-Updates von anderen Xing-Mitgliedern bzw. den eigenen Kontakten, die man im Update-Stream sieht, applizieren. Hier sollte Xing den nächsten Schritt tun und die Interessenbekundung auch auf die Kommentare zu den Status-Updates anwendbar machen. Schließlich könnte sich das zu einem Katalysator für themenbezogenes (!) Networking entwickeln.

Das Erwähnen. Überall haben wir es! Auf Facebook, bei Twitter und bei Google+. Nur bei Xing ist es noch nicht angekommen. Facebook hat es inzwischen auch in die mobile Version übernommen. Warum? Weil es so wichtig ist. Weil heutige Netzwerke dynamische Gebilde sind, bei denen nicht nur frei wählbar 2 Knoten (Menschen) über eine Kante (Verbindung) genutzt werden können, sondern im Bedarfsfall, abhängig von Zeit und Thema, mehrere Knotenpunkte über verschiedene Kanten erreicht werden. Wenn wir an unser Gehirn denken, müssen dort wohl ständig „Mentions“ passieren. Im Menschen selbst findet also ein stark vernetztes Denken statt. Warum sollten wir das nicht auf die Gesellschaft übertragen?

Das Gästebuch von Xing ist eine ganz eigene Geschichte. Und es ist (noch!) keine Erfolgsgeschichte. Es erinnert mich etwas an die Poesiealben meine Kindheit. Eine Eintragung dort, ein Dankeschön, mit Glück kam die Replik fürs eigene Album. Ich habe eine Mini-Umfrage – mit leider nur 13 Teilnehmern – zur Verwendung des Xing-Gästebuches gemacht. Über das zwar nicht repräsentative, aber doch richtungsweisende Ergebnis war ich nicht komplett überrascht.

Leider hat man in der Ergebnisgrafik nur via Mouse-over die komplette Antwort angezeigt bekommen, so dass ich meinen Screenshot entsprechend der tatsächlich angebotenen Antwort-Optionen nach „…“ ergänzt habe. Bei der Mehrheit der 13 Teilnehmer ist das Xing-Gästebuch also nicht im (aktiven) Bewusstsein. In der Tat benötigt man 2 Klicks, um von der Profilseite zum Gästebuch einer Person zu gelangen. Für meine Begriffe „gut versteckt“ hinter den „Aktivitäten“.

Vergleichen wir mal mit Facebook. Dort ist das „Gästebuch“ ein kombiniertes „Gäste- und Tagebuch“. Mit dem Aufruf der Profilseite sehe ich *sofort* Einträge des Inhabers und seiner Kontakte und Dialoge, insofern ich mit dem Inhaber des Profils verbunden bin und (in der Regel) diese Rechte zur Einsicht habe. Was würde dagegen sprechen, dass Xing das Gästebuch weiterentwickelt zu einem Dialogbuch?

Nochmal der Vergleich Facebook-Pinnwand vs. Xing-Gästebuch. An meinem Geburtstag. Bei über 1100 Freunden ca. 180 Pinnwand-Einträge. Auf der anderen Seite 950 Xing-Kontakte und kein Gästebuch-Eintrag zum persönlichen Ehrentag. Bei vielen liegt der letzten GB-Eintrag schon um Jahre zurück, da bin ich keine Ausnahme.

Das Abonnieren von Usern bzw. deren Updates hat (viele) Facebook-Mitglieder aus einer Art Mausefalle des eingeschränkten Kommunikationskreises heraus geholt. Übrigens auf Innovation und Inspiration von Google+ hin, wo die „Circles“ bis heute eine offensichtlichere Rolle als die „Listen“ bei Facebook spielen. Abonnieren kann man prinzipiell Mitglieder und Unternehmen bei Xing. Doch wer weiß von diesem Feature? Wer hat es aktiviert?  Selbst größere Unternehmen wie 1&1 mit 50 Mitarbeitern auf Xing haben 0 (Null) Abonnenten. Auch hier: Versteckspielen in den Xing Beta Labs. Viele mögen noch nicht mal davon gehört haben, dass sich persönliche oder Unternehmensprofile abonnieren lassen.  Dazu müsste man die Nutzer – nicht über aufwendige Werbung – eher über funktional integrierte und intuitiv erfassbare Features aufmerksam machen.

Ein großer Teil der Kontaktanfragen („Wir sind in der selben Gruppe“ – das wars aber oft auch schon in Sachen Gemeinsamkeiten) ließe sich über ein Abonnieren abfedern. Auch diesen, für meine Begriffe recht intelligenten Mechanismus kennen wir schon von Facebook: Solange eine Person eine Kontaktanfrage nicht bestätigt hat, abonniert man automatisch die Updates dieses Nutzers. Natürlich sind in der Phase der einseitigen Kontaktherstellung Updates dieser Person nur sichtbar, wenn sie überhaupt öffentliche Neuigkeiten generiert.

Zum Schluss noch ein paar Worte zu den Events bei Xing. Wieder von meiner Perspektive aus betrachtet, stellt das Fehlen der Veranstaltungen in der mobilen App von Xing ein signifikantes Defizit dar. Genau die Events sind es doch, die auf der einen Seite das Entstehen lockerer Beziehungen induzieren und andererseits aus sogenannten Weak Ties Strong Ties werden lassen können. Muss ich mir denn als Teilnehmer eines Kongresses vorher alle Themen und Teilnehmer ausdrucken oder würde mir eine mobile App, mit der ich beides „on location“ nachschlagen kann, nicht viel mehr an Flexibilität bieten und der möglichen Dynamik einer solchen Veranstaltung eher Rechnung tragen?

In der Desktop-Variante von Xing hatte ich bei den Events schon unterschiedliche Erfahrungen. Mit den Updates wurde dies wohl auch mehrfach deutlich geändert. Da ich selbst häufig bei Veranstaltungen unterwegs bin und hier eine ganz wichtig Klammer zwischen realen und virtuellen Beziehungen oder auch Formen der Zusammenarbeit sehe, kann ich selbst Xing nur empfehlen, Events leicht und gut sichtbar darzustellen. Und zwar immer dort, wo der Kontext es erfordert. Sei es innerhalb einer Gruppe oder auf dem Profil des Event-Organisators. Was auf jeden Fall noch auf Gruppenseiten ergänzt werden sollte: Vergangene Events. Zu oft möchte man unmittelbar nach einem Event nochmal schauen, wer war denn eigentlich dabei, wer hatte mir nochmal seine Visitenkarte gegeben? Moment mal, er müsste doch angemeldet gewesen sein. Aber wo ist denn das Event hin?

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ich ein gutes Potential und Reserven bei Xing sehe in Richtung Dialog, modernes Netzwerken und intuitives Benutzer-Interface. Das Unternehmen hat sich auf den Weg gemacht. Das zeigt auch das relativ neue Feature „Bestätigung der Profileinträge“, das über die Xing Beta Labs freigeschaltet werden kann. Manchmal gibt es Stolpersteine. Doch durch den Dialog zwischen Anwendern und Entwicklern können beide Seiten auf lange Zeit eigentlich nur Nutzen davon tragen.

Update:

Einen Punkt wollte ich noch erwähnen. In einem Tweet hat mich Michael Rajiv Shah aka. Xingfinder mit Verweis auf seinen ziemlich genau vor einem Jahr erschienenen Artikel „Das Xing Gästebuch ~ Referenzen & Empfehlungen auf Xing“ daran erinnert (Danke!) : Die Möglichkeit, bei Xing Referenzen für andere zu schreiben bzw. selbst welche zu erhalten. Auch hier habe ich den Eindruck (ähnlich wie Michael), dass dieses Feature viel zu wenig selbst kommunizierend ist. Aktuell sind die Referenzen auf dem Profil unter der Berufserfahrung im Abschnitt „Referenzen und Auszeichnungen“ verlinkt. Wahrnehmung und ein weiterer Klick sind erforderlich, um eine möglicherweise große Anzahl von Referenzen überhaupt erstmal einsehen zu können. Beim nächsten Profilbesuch ist die gleiche Prozedur erforderlich, also erst ein „Hineinklicken“, da in der Profilansicht weder Zahl der Referenzen noch das etwaige Hinzukommen einer aktuellen Referenz angezeigt werden. Somit auch an dieser Stelle Raum für Optimierungen bei Xing 🙂

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Eine Antwort zu Reserven in der Kommunikationsarchitektur bei Xing

  1. Hallo Herr Roth,

    ja es gibt Manches das bei XING, das (insbesondere für NetzwerkerInnen und Selbstständige) besser herausgestellt bzw. überhaupt umgesetzt gehört. Ich habe den Eindruck, dass die derweil 3 Generation an MitarbeiterInnen nur noch wenig von dem kennt, was aus NutzerInnensicht die eigentlichen USP’s der Plattform ausmacht.

    Die für mich spannende Erkenntnis, die ich anlässlich meiner Analysen für das http://amzn.to/XINGedIN Buch vor gut einem Jahr begonnen habe war, dass gut 85% der Interaktion mit meinem XING Profil aus der ‚alten XING-DNA‘ stammen, wie ich die Features nenne, die es schon zu openBC-Zeiten gab und nur 15% aus den neuen Features:

    http://www.networkfinder.cc/xing-vs-linkedin/xing-soziale-netzwerk-dna-teil-2/#XINGErfolge

    Grüße aus Wien
    Ihr Michael Rajiv Shah

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